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Torent Alto

Torent Alto

Bergsteigen/Hochtour
ZS
Datum der Tour
6.8.2023
Beginn der Tour
06:21
Ende der Tour
18:59
Aktive Zeit in Stunden
12.6 Std.
Gesamtstrecke in km
12.6 km
Aufstieg in Höhenmetern
1618 m
Abstieg in Höhenmetern
1870 m
Geringste Höhe
1809 m
Höchster erreichter Punkt
2960 m
Berg
Torent Basso 2823 m
Torrone della Motta 2823 m
Motton
Torrent Basso
Torent Alto 2948 m
Piz da Termin 2899 m
See/Gewässer
Laghetto di Cava Alto 2107 m
Gebäude
Capanna Cava
Capanna di Cava 2066 m
Sonstiger Ort
Btta Rotonda 2429 m

Es gibt nur wenige Dinge, die ich mehr hasse, als morgens vor einer Tour kein Frühstück zu kriegen. Als ich nachts um 3 Uhr das WC besuche, sehe ich noch zwei Brote, eins auf dem Ofen liegend, das andere unter einer Haube auf einem Tisch. Als wir morgens um halb Sechs zum Frühstück erscheinen, sind wir allein - und die Brote sind weg. Alles weggefuttert!

Aber es kommt noch schlimmer: In der einzigen Thermoskanne, die herumsteht, befindet sich kein Kaffee mehr. KEIN KAFFEE! Auf einer Tessiner Hütte, also quasi in ITALIEN!

Das einzige was uns bleibt sind ein paar trockene Stücke Zwieback.

Dann plündern wir die Küche. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich in einer Hüttenküche. Aber auch dort findet sich kaum etwas essbares. Wir finden ein 3 Tage altes Brot, das innen noch etwas weiches hat. Und wir finden ein paar Kapseln, mit denen wir uns einen Kaffee machen. Letztlich hilft es, die Leere zu füllen, und wir gehen los.

Der Tag erwacht, als wir die Flanke hinaufgehen zum "Passo del Mauro". Von der Hütte aus sieht die Flanke wild und steil aus, man kann sich nicht vorstellen, wo da ein Weg hindurch führen soll. Aber wie das oft so ist, täuscht die Draufsicht. Aus der Nähe betrachtet ist es ein ganz normaler T3-Wanderweg.

Vom Passo aus geht es nun weiter an blau-weissen Markierungen entlang hoch auf den Torrent Basso. Das ist nun eine ganz andere Nummer. Wildes T5-Gelände. Oft ausgesetzt durch erdige, grasige, geröllige und felsdurchsetzte Flanken. Kraxelgelände. Ziehen an Sträuchern. Jeden Griff prüfen, ob er hält.

Der Weg zieht in der Flanke am Basso etwas vorbei, dann geht es steil hinauf auf den Gipfel. Bis hierher sind wir 2.5 Stunden unterwegs. Erst jetzt zeigt sich uns, was von der Hütte noch so einfach ausgesehen hatte: Die wilden Türme des Torent Alto erscheinen vor uns in ihrer ganzen Wucht. Dunkelgrauer, abweisender Fels. Ein wild aussehender Grat, der zu Cima 7, dem ersten Gipfel führt. Und die Frage, wie man denn bloss dort hinauf kommen sollte.

Die Wegspuren, manchmal markiert, umgehen die Cima auf der Südseite in der Flanke. Von hinten zeigt sich der Berg deutlich zugänglicher. Über eine kurze Platte geht es direkt hinein ins Klettergelände. Das Seil holen wir nicht raus, wir sind auch nicht sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Aber da alles machbar aussieht (ist ja nur T5/T6), kämpfen wir uns durch. Eine einzige schwerere Stelle ist mit einem Fixseil versehen, das aber mit seinem zerrissenen Mantel nicht mehr vertrauenswürdig aussieht. Am rechten Rand kann man die Stelle jedoch gut erklettern.

Auf dem Weg nach oben kommt uns eine Gruppe entgegen - vermutlich jene die unser Frühstück weggefuttert hat. Sie sagen uns, der Weg sei dort drüben (Steinmännchen). Aber wir haben auch Steinmännchen. So what. Es führen eben viele Wege zur Cima 7.

Oben auf dem Gipfel sind wir nun allein. Vor uns sehen wir noch ein Pärchen in der Flanke zwischen Cima 7 und Cima 6. Nach einer Pause - wir sind jetzt 5.5 Stunden unterwegs, geht es auch für uns weiter. Nun kommt der Grat!

Zumindest ein kleines Stück. Denn offenbar muss man lt. Führer nach Cima 7 links in die "wenig einladende" Flanke hinabsteigen, durch einen "unangenehmen" 3er-Kamin. Wir stehen da oben wie bedröppelt. Da geht es runter. Dort geht es runter. Weiter vorne geht es runter - aber es sieht nirgends einladend aus. Soll es ja auch nicht. Klar. Nett wärs gewesen, wenn der Führer auch erwähnt hätte, warum man diesen Mist denn machen muss.

Das Kletterpärchen vor uns ist mittlerweile bei Cima 6 - wir haben bei unserer Pause die polternden Steine gehört, die von ihnen ausgelöst ins Tal donnerten. Der Mann, ein Schweizer, ruft uns von dort aus etwas zu, was wir nur halb verstehen. "Noch 3 Meter!" - bis ich kapiere, dass ich damit gemeint bin. Ich zittere mich hinab. Der Schweizer sagt nix mehr, also bin ich offenbar da, wo ich sein soll. Aber natürlich fühlt es sich nicht gut an.

Irgendwie kommen wir in die Flanke. Irgendwie kommen wir hinüber. Sichern können wir hier nichts. Zu schuttig. Zu brüchig. Vor uns liegt eine ebenfalls nicht besonders einladende Rinne hinauf in die Lücke zwischen Cima 6 und Cima 5. Dazu kommt ein beissender kalter Wind aus dem Norden. Wir haben wirklich Spass.

Ich gehe vor und kämpfe mich dort hoch, zuerst links haltend, dann eher rechts, wo die besseren Felsen sind. Die werden plötzlich kalt und eisig, meine Finger sind ohnehin schon halb abgefroren, und dann stehe ich endlich oben und flüchte mich in den Windschatten hinter Cima 6. Nach einigen Minuten kommen Andreas & Thomas ebenfalls hinauf. Puuh. Das schlimmste wäre geschafft.

Auf Cima 6 verzichten wir - die Tour würde noch lange genug dauern. Rückblickend müsste man mal prüfen, ob es da oben am Gratausläufer der Cima 7 keine Abseilmöglichkeiten gibt. Der sieht nämlich gut aus vom Fels her, bricht aber abrupt ab. Nächstes Mal mache ich das! Wobei... es gibt schönere Berge für ein zweites Mal.

Von nun an geht es mal mehr oder weniger wild kraxelnd - unser Seil bleibt im Rucksack - über die nächsten Gipfeli / Cimi. Das meiste ist 2er-Gelände, muss aber sowohl im Auf- als auch Abstieg sauber beherrscht werden, da man sich oft im Absturzgelände befindet. Es macht Spass hier. Genau mein Ding. Ja, jetzt wirklich!

Nach dem leichten Verbindungsgrat zwischen Cima 3 und Cima 2 holen wir das Seil heraus, denn da bricht der Grat plötzlich ab. Ein steiler Kamin führt 10m nach unten. Der Führer empfiehlt abklettern (III/IV) oder umgehen auf Gras und Schrofen (heikel, auch 3er). Das Seil fühlt sich hier gut an, denn man kann hier auch abseilen, was die einfachste und sicherste Möglichkeit sein dürfte. Dazu liegen auch schon ein paar Reepschnur-Schlingen bereit.

Mittlerweile haben wir vergessen, auf welchem der sieben Gipfel wir eigentlich gerade sind. Mittlerweile sind wir fast 10 Stunden unterwegs - langsam haben wir genug von der Kraxelei. Im Norden sehen wir die dunklen Regenvorhänge über den Alpen. Einige davon ziehen in unsere Richtung - auch der Wind kommt von da. Ich mahne mich zur Eile, denn hier will man keine nassen Felsen haben.

Hinauf auf die Cima 2 (vermutlich) wird es dann nochmal etwas wilder. Die erste 3er-Stelle im rötlichen Gestein ist noch im Führer erwähnt, aber dann gehen wir in der Flanke direkt hoch, wo nochmal ein, zwei Klettereien auf uns warten. Cima 1 bemerken wir gar nicht richtig, und den Piz da Termin begehen wir vermutlich auch anders als beschrieben.

Von dort oben sieht der Weg zum Motton sehr einfach aus. Leider ist er das nicht. Mühsames Blockgelände muss durchquert werden, dann stehen wir endlich am oberen Rand der Geröllrampe, die man bei Schneeauflage einfach so hinunter laufen könnte. Da kein Schnee mehr da ist, gehen wir vom Motton aus weglos hinab durch das Geröll - manchmal mit den Steinen zusammen. Es zieht sich. Erst weiter unten finden wir wieder Wegspuren und Steinmännchen.

Mittlerweile ist es 17 Uhr, wir sind 11 Stunden unterwegs. Vor uns zeigt sich endloses Block- und Schuttgelände. Rechts sieht der Pfad besser aus, es gibt auch Steinmännchen. Aber lt. Führer geht es mitten hindurch. Also hinüber nach links. Der Wind ist mittlerweile fürchterlich - immer wieder hauen uns die Böen fast von den Füssen. Und wenn es zwischendurch windstill ist, wird es uns zu warm. Mühsam gehen wir hinab, dann queren wir wieder hinüber nach Osten - oberhalb des Wasserfalls hindurch - und dann irgendwo hinunter in das grasige Gelände, wo wir so etwas wie einen Wanderweg vermuten.

Rückblickend betrachtet wäre es vermutlich besser gewesen, uns am östlich gelegenen Grat zu orientieren, der vom Motton hinab zieht, auch wenn einige Bereiche dort abrupt an Steilstufen aufhören. Einen "Weg" finden wir nämlich auch auf unserer Route nicht. Manchmal gibt es ein Steinmännchen. Wir sind offenbar nicht die enzigen, die sich in dieser Wüste hier verirren.

Im Grasgelände geht es weiter mühsam voran. Manchmal sind da Wegspuren, dann hören sie plötzlich wieder auf. Stück für Stück geht es hinab, am Ende sogar auf einem richtigen Weg (wenn auch wenig begangen), und dann hinüber zum Rifugio die Giümela, unserer Unterkunft für die Nacht.

Und dieses Refugio ist es dann auch, was uns wieder munter macht: Ein wunderschönes Häuschen in traditioneller Bauweise. Natursteine. Dicke Holzbalken. Eine Eingangstür mit 1.60m, an der man sich den Kopf anstösst. Und mitten in der Hütte zwischen den 8 Betten und der Küche mit dem Gasherd nochmal ein Balken, an dem man sich den Kopf anstösst. Ich nehme mir vor daran zu denken, wenn ich nachts auf die (komfortable) Toilette muss. Hier gibt es sogar fliessendes Wasser, und es gibt Licht!

Leider ist es relativ kalt am Abend, draussen essen wollen wir nicht. Zum Glück sind wir aber ganz allein. Wir finden noch Nudeln und ein paar andere Reste, die wir zusammen mit unserem Mitgebrachten zu einem leckeren Mahl zubereiten. Für 15 Euro p.P. erscheint uns dieses Rifugio wie der Himmel auf Erden.

Der Torent Alto ist ein Berg, den man nicht unterschätzen darf. Eine schöne, wilde Tour, die man macht, wenn man wenig Menschen treffen möchte. Auch der Piz die Strega gegenüber wirkt wie einer, den man gerne mal auf einer einsamen Tour erklettern würde.

Vielleicht kommen wir irgendwann hierher zurück.

Aufstieg zum Torrent Basso
Auf dem Basso
Blick zum Torent Alto Grat
Hier gehts hoch zur Cima 7
Türme voraus
Durch die Flanke ...
... und diese Schuttrinne wieder hoch
Da oben wär ne Abseilstelle gut
Einzige Stelle, die man abseilen sollte
Einer der letzten Türme - direkt durch
Nette Kletterei bei Cima 2
Rifugio Giümela - sehr schön!
Rückblick auf eine lange Tour
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